Ausstellungseröffnung „Die Ästhetik des Banalen“
Am 10. Februar 2011 eröffnete in der Alten Nikolaischule Leipzig, Nikolaikirchhof 2, 04109 Leipzig die Ausstellung „Die Ästhetik des Banalen“. Es war die erste eigenständige Ausstellung des Vereins für Industriekultur Leipzig, realisiert in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung Leipzig und der Galerie M., unterstützt durch die Stadt Leipzig, Dezernat für Stadtentwicklung und Bau. Das konzeptionelle und organisatorische Herz dieses Projektes war Sigrid Zimmermann, Vorstandsmitglied des Vereins. Dr. Wolfgang Hoquèl, Geschäftsführer Kulturstiftung, ermöglichte das Anmieten des Ausstellungsraumes – was zu den üblichen Konditionen erfolgte.
In dieser spannenden Ausstellung präsentierten die Leipziger Künstler Harald Alff (Grafik/Malerei), Werner Fricke (Fotografie) und Maix Mayer (Fotografie) ihre spezifischen Wahrnehmungen zur Gewerbearchitektur in Leipzig und Halle; erweitert auch um einen Blick in einen anderen Kulturkreis. Gegenstand der Betrachtungen waren Gewerbebauten der Gegenwart, der 70ziger Jahre sowie auch die hinterlassenen Industriebauten der Gründerjahre.
Stellvertretend für den Berufsstand der Planer und Architekten stellten das Architekturbüro RKW Rhode, Kellermann, Wawrowsky - Architektur und Städtebau - Leipzig und der Architekt Hans- Dietrich Wellner (ehemaliges Mitglied des Planungsteam Leipzig-Grünau) mit Skizzen, Planungsentwürfen, Zeichnungen und Modellen den Prozesscharakter der Gestaltung von Gewerbebauten dar. Die Ausstellung in der Alten Nikolaischule war bis 31.3.2011 täglich von 12 bis 17 Uhr geöffnet.
Am 08.03. fand in der Aula der Alten Nikolaischule eine Podiumsdiskussion zum Thema: „Architektonische Erwartungen an Gewerbebauten“. Podiumsteilnehmer: Wolfgang Kunz, Stadtverwaltung Leipzig, Dezernat, Stadtentwicklung und Bau, Stadtplanungsamt, Amtsleiter; Norbert Hippler, Leiter Architekturbüro RKW Leipzig; Dr. Wolfgang Hocquèl, Geschäftsführer der Kulturstiftung Leipzig; Daniel Dechmann, VDI Bezirksverein Leipzig, Leiter des Arbeitskreis Architektur; die ausstellenden Künstler. Der Abend in der voll besetzten Aula wurde moderiert von Dr. Wolfgang Hocquèl.
Artikel aus den VDI Nachrichten
Statement zur Gewerbearchitektur in Leipzig:
Der Titel der Ausstellung ist eine gewollte Irreführung. Dass Gewerbearchitektur alles andere als banal, anspruchslos, schlicht fürs Auge und Gemüt ist, beweisen im debattenfrohen Leipzig zum Beispiel die Leidenschaftliche Diskussionen um den Neubau der künftigen Firmenzentrale von Unister, der großen Leipziger Internetfirma mit über 700 Mitarbeitern. Unister will einen Gewerbebau im innerstädtischen Bereich errichten. Monatelang ging es daraufhin presseöffentlich um Baukörperhöhen, Fenstersimse, Fassadenoberflächen, Traufkantenbetonung und so fort. Gewerbebauten stehen im Zentrum des öffentlichen Interesses, sie berühren uns, weil sie Arbeits- und Lebensraum sind.
Und sie sind keinesfalls anspruchslos für die Architekten, Bauingenieure und Handwerker. Das wissen die Mitglieder des Vereins für Industriekultur Leipzig, die aus diesen Bereichen kommen, aus der eigenen beruflichen Tätigkeit.
Wir begrüßen es immer, wenn moderne Gewerbe, wie im Falle von Unister ein Arbeitgeber aus der Internetbranche, für seinen Neubau die Innenstadtlage einer randstädtischen Ansiedlung in einem sogenannten Gewerbegebiet vorzieht. Aber als Verein plädieren wir, vor einer Weichenstellung Richtung Neubau die Suche nach einem geeigneten leer stehenden Gebäude in einem Leipziger Industrieviertel wie Plagwitz, Sellerhausen, Mockau usw. intensiv zu betreiben. Der Ausbau eines bestehenden Gebäudes für die neuen Anforderungen ist der schwierigere Weg. Er funktioniert. Die Ansiedlung von der Firma spreadshirt 2009 in einem solchen Komplex in Plagwitz, unterstützt von Stadtplanung und Wirtschaftsförderung, ist nur ein solches Beispiel. Die Firma hat einen erweiterungsfähigen Gewerberaum zur Verfügung und ein traditionsreiches Industriegebäude wurde durch Neunutzung vor Verfall und schließlich drohendem Abriss gerettet. Die banale Ästhetik eines Gewerbebaus aus der Gründerzeit wird zum identitätsstiftenden Kern der modernen Industriestadt Leipzig.
Künstler nehmen sich immer der brennen Themen ihrer Zeit an. Sie reflektieren die Prozesse. Sie sind die unbestechlichen Kommentatoren unseres Tuns. Diese Ausstellung vereint ausgewählte, markante Positionen von beiden Seiten: Einmal sehen wir die engagierten Bilder, die sich der Projektant von der Neuen Welt entwirft, die er gerade erbaut, die Skizzen seiner Visionen. Dem gegenüber stellen wir die Bilder und Eindrücke, wie sie sich die für den Künstler aus den bauliche Realität gewordenen Visionen aufdrängen. Das Gezeigte kann kein Chor vollmundiger Harmonie werden. Die Kombination ist gedacht als nie banale Herausforderung.
Quellenhinweis:
Zusammenstellung des Textes aus Archivmaterial: Moritz Jähnig
Fotos: © Werner Fricke