Julius Wilhelm von Pittler – Ein Technik-Pionier
Datum: 04.06.19 / 18:00 Uhr
- 20:00 Uhr
VORTRAG
Ort: HTWK Leipzig, Wächterstraße 13/Raum W8 (Erdgeschoss rechts), 04107 Leipzig
Eintritt frei.
mit Horst Pawlitzky, Ingenieur für Maschinenbau, ehemals beim VEB Drehmaschinenwerk Leipzig
Julius Wilhelm von Pittler wurde am 21. Juni 1854 in Kierschitten bei Tolks in Ostpreußen (heute Kiersity bei Tolko, Polen) geboren. Hier erlernte er den Beruf eines Gärtners, obwohl er schon früh-zeitig hohes Interesse für Technik zeigte. 1874 ging er auf Wander-schaft und gelangte über Elbing (heute Elblag in Polen) und Ham-burg 1876 nach Leipzig. Wegen seines Talents als Zeichner wurde er in der Hütelschen Fahnenfabrik für den Entwurf von Stickmus-tern angestellt. Hier kam er mit Stickmaschinen in Berührung, was sein weiteres Leben prägen sollte. 1878 machte er sich mit einer eigenen Stickerei selbständig. Dazu hatte er zwei Stickmaschinen angeschafft, an deren Verbesserung er ständig arbeitete. 1886 kaufte er ein Haus in der Böttcherstraße 10 in Gohlis, jetzt Lindenthaler Straße. Im zugehörigen Hintergebäude betrieb er die Stickerei und eine Werkstatt, wo man die von ihm entwickelten Näh- und Stickmaschinen baute.
Für die Ausweitung der Produktion seiner 1888 von ihm konstruierten Universalmaschine zur Metallbearbeitung mit vielen Anwendungsmöglichkeiten sowie der paten-tierten Stickmaschinen war die Werkstatt in der Bött-cherstraße zu klein geworden, weshalb Pittler am 11. Juli 1889 die „Maschinenfabrik „Invention“ W. von Pittler“ in das Handelsregister eintragen ließ und das Fabrikge-bäude der Ehrlicher Musikwerke in der Möckernschen Straße 6 in Gohlis kaufte. Das war die Geburtsstunde des Werkzeugmaschinenbaus unter dem Namen von Pittler in Leipzig, der eine mehr als 100-jährige Geschichte folgte.
Der große Wurf gelang Wilhelm von Pittler mit der Er-findung des Revolverkopfs für zehn Werkzeuge, die 1892 als DRP 74 952 eingetragen wurde. Gab es bereits vorher schon Mehrfachstahlhalter, so war die Produktivitätsstei-gerung doch dadurch eine mehrfache. Sie beruhte auf der Ersparnis von Zeit für das Wechseln der Werkzeuge bei komplizierten Bearbeitungen, wenn unterschiedliche Operationen zur Bearbeitung rotationssymmetrischer Werkstücke auszuführen waren.
Der Erfindergeist von Pittler´s brachte nicht nur die Revolverdrehbänke hervor, sondern führte zum Bau von Hydraulikpumpen und -antrieben von Autos, den Vorgängern von Automatikfahrzeugen, Dampfmoto-ren und Leistungsmesser für sie,Maschinen zur Her-stellung von Stahlkugeln und Zigarren und mehr. Ins-gesamt meldete er mehr als 200 Patente an!
Der steigende Bedarf an Werkzeug-maschinen ließ sich trotz Um- und Ausbauten der Gohliser Fabrik auf 2.500 m² Produktionsfläche in den Jahren 1897 und 1898 nicht mehr decken. Um Geld für einen Neubau zu sammeln gründete von Pittler 1895 die "Leipziger Werkzeugma-schinenfabrik AG vorm. W. v. Pitt-ler", der er bis 1902 angehörte.
In der damals politisch selbständigen Gemeinde Wahren norwestlich von Leipzig wurde ein Werk mit 4.000m² Produktionsfläche errichtet und im Jahr 1900 in Betrieb genommen. Nach Berlin zog von Pittler 1904 und 1910 nach London, wo er am 22. September 1910 verstarb. Beigesetzt wurde er auf dem Friedhof Gohlis.
In dem Vortrag wird eine Person gewürdigt, die ohne ein Gymnasium oder eine Ingenieurschule besucht zu haben, über einen solchen Erfindergeist verfügte, dass er mehr als 200 Patente anmelden konnte, ein Unternehmen begründete, das bis zum Ende des 2. Weltkriegs einer der größten Produzenten von Werkzeugmaschinen in Deutschland war. Damit ist er in Leipzig in eine Reihe zu stellen mit solchen Industriellen wie Rudolph Sack, Karl Heine oder Adolf Bleichert.
Text: Horst Pawlitzky
Fotos: Sammlung Horst Pawlitzky
Am 11. Juli 2019 ist die Gründung der Maschinenfabrik "Invention" 130 Jahre her.
Der Vortrag geht vor allem auf die Persönlichkeit von Julius Wilhelm von Pittler ein und sein Wirken als Erfinder und Techniker. Beleuchtet von Horst Pawlitzky, ausgebildet als Ingeniuer für Maschinenbau, hat er über 30 Jahre in verschiedenen Funktionen im VEB Drehmaschinenwerk Leipzig gearbeitet. Ihn reizte es, die Geschichte des Betriebs mit seinen Mitteln zu erforschen und dabei zuerst die Persönlichkeit ihres Gründers.