Vortrag „Klingendes Mitteldeutschland. Musikinstrumentenbau als starker Wirtschaftsfaktor“
Datum: 06.12.23 / 18:00 Uhr
- 20:00 Uhr
Vortrag in der Reihe „Industriekultur in Mitteldeutschland“
Projektveranstalter ist der Industriekultur Leipzig e.V. in Zusammenarbeit mit der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland und deren Projektgruppe Industriekultur sowie der Volkshochschule Leipzig.
„Klingendes Mitteldeutschland. Musikinstrumentenbau als starker Wirtschaftsfaktor“ – Vortrag von Dr. Birgit Heise, Universität Leipzig, Institut für Musikwissenschaften
Während des 19./20. Jahrhunderts zählte Mitteldeutschland zu den Weltzentren des industriellen und handwerklichen Instrumentenbaus. Große Bekanntheit genießt dabei der „Musikwinkel“ Vogtland. Von hier gingen Tango-Bandonions nach Argentinien, preiswerte Geigen nach Asien und Blasinstrumente in die Ausstattung der Heeresmusik. Militärkapellen waren ebenso wichtige Auftraggeber wie die städtischen und betrieblichen Orchester, Posaunenchöre oder Musikschulen. Unglaubliche 457 Blasinstrumentenmacher lassen sich 1871 für Markneukirchen und Umgebung nachweisen. Hinzu kamen die ungezählten Polierer, Packer, Spediteure, Händler oder Zulieferer von Werkzeug und Einzelteilen.
Im benachbarten Sachsen-Anhalt etablierte sich eine der bedeutendsten Firmen für Schlagzeugbau, die Trommelfabrik Weißenfels mit dem Markenzeichen SONOR. Das Sortiment umfasste auch Xylophone, Glockenspiele, Pauken, Schellentrommeln. Kaum vorstellbar: 1930 lieferte man etwa die Hälfte der deutschen Gesamtproduktion von Schlagzeug.
Thüringen tat sich mit Posaunen der Erfurter Firma Kruspe, mit Spieluhren aus Zeulenroda sowie mit Schlagzeugbau hervor. Und vor allem in Leipzig stellte der industrielle Instrumentenbau einen wirtschaftlichen Motor dar. Mehr als 80 Klavierbauer und über 100 Fabriken für mechanische Musikinstrumente ließen sogar den sächsischen König erstaunen, als er einige der Betriebsstätten besuchte.
Es war eine andere Zeit: In jeden Haushalt des gehobenen Bürgertums gehörte mindestens ein Klavier oder ein Musikautomat. Spielmannszüge und Militärkapellen, auch die Wandervogelbewegung sorgten für Freiluft-Musik an allen Orten. Und heute bestellt man sie wieder aus Argentinien: Die legendären Bandonions für Tangospiel.
Im Vortrag wird auf den Wechsel vom handwerklichen zum industriellen Instrumentenbau im Verlauf des 19. Jahrhunderts eingegangen. Die herausragende Stellung Mitteldeutschlands kommt ebenso zur Sprache wie die Frage nach heute noch vitalen und exportierenden Fabriken und Werkstätten.
Referentin: Dr. Birgit Heise ist am Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig mit Forschung und Lehre sowie als Studienfachberaterin und Master-Beauftragte integriert. Von 1992 bis 2018 war sie als Kustodin am Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig tätig. Sammlungskataloge („Idiophone und Membranophone“ 2002) sowie Sonderausstellungen mit Katalogen (zur Deutschen Posaune 2010, zum Instrumentarium R. Wagners 2013, zu Musikautomaten 2017) prägten jene Jahre ebenso wie regelmäßige Lehre. Aus dieser Zeit resultieren Schwerpunktthemen: Instrumentenkunde und Akustik sowie Leipziger Musikgeschichte, Aufführungspraxis, Musik früher Kulturen, außereuropäische Musikinstrumente und Museumswesen. Birgit Heise habilitierte zu „Leipzig als Zentrum der Musikautomatenproduktion 1880 bis 1930“. Seit 2016 Mitglied der Strukturkommission für Germanistik, Kunst- und Musikwissenschaft der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.
Veranstaltungsort Volkshochschule Leipzig, Aula, Löhrstraße 7, 04105 Leipzig
Anmeldung Eine Anmeldung ist erforderlich unter folgendem Link auf den Seiten der VHS Leipzig. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Bilder
Illustration: Flügel- und Pianofabrik J.G. Irmler, Leipzig, 1893 – Fotoquelle: Sammlung Jähnig
Bild: Kinderklavier mit Lochplatte zum automatischen Spiel von der Fa. Paul Ehrlich aus Leipzig, um 1890, Privatbesitz – Fotoquelle: © M. Wenzel
Änderungen des Programms vorbehalten.